Prolog

Anna und ich haben uns lange auf diesen Moment gefreut: Endlich in den Flieger steigen und für 9 Monate in den Vereinigten Staaten leben, um dort das Land, die Leute und die Natur kennenzulernen! Eine Reise in der Größenordnung haben wir noch nie unternommen und wir waren auch ein gutes Stück aufgeregt, denn wir hatten nicht so viel Gutes von den amerikanischen Einreisekontrollen gehört: Unangenehme, stressige Fragen, was man eigentlich so lange in den USA vor habe, ob man überhaupt wieder (nach Deutschland) zurückkehren wolle oder ob man irgendetwas auf Social Media gepostet haben könnte, was der Grenzbeamt*in nicht gefallen könnte.

Wir waren uns sicher, dass wir eine absolut solide Grundlage für die Einreise hatten: Wir hatten einen legitimen Grund (und Visa) für die Reise, waren nicht wirklich in den sozialen Medien aktiv und wollten definitiv wiederkehren. Und doch führte die mangelnde Erfahrung und zumehmend zuspitzende politische Lage in den USA für einen Hauch von Unsicherheit, ob alles so glatt über die Bühne gehen würde. Deswegen haben wir uns vorbereitet. Beginnend mehrere Monate vor der Reise, immer mal ein bisschen was nebenher und am Ende jeden Tag, nicht zuletzt weil auch ein Umzug gemacht werden musste. Nur so konnten wir uns, als es soweit war, komplett auf die eigentliche Reise und das, was vor uns lag, konzentrieren.

Transatlantischer Flug

Kurz noch die Wohnung übergeben und schon ging es einen Tag vor Abflug los mit dem ICE nach Frankfurt, wo wir eine Nacht im Hotel übernachten würden. Die 5-stündige Fahrt dorthin war angenehm und größtenteils ereignislos – genau das, was man sich vom ICE erhofft.

Quelle: https://www.google.de/maps

Der Plan war folgender: 9:20 bis 13 Uhr ging der erste Flug mit Ziel Charlotte, North Carolina (USA) – mit 6 Stunden Zeitverschiebung ist das eine Flugdauer von knapp 10 Stunden. Danach 9 Stunden in Charlotte im Hotel verbringen, etwas ausruhen und dann noch einmal von ca. 22:30 bis 24 Uhr im Flieger nach Columbus, Ohio verbringen. Dort würde uns unsere neue Mitbewohnerin mit dem Auto abholen und dann hätten wir genug Zeit, um Schlaf nachzuholen und mit hoffentlich wenig Jetlag die ersten Erledigungen am Folgetag erledigen zu können. Zumindest so die Theorie.

Aber erst einmal mussten wir für unsere Verhältnisse viel zu früh in Frankfurt aufstehen und zum Flughafen kommen. Für uns war ungewohnt, dass American Airlines einen eigenen Teil des Terminals für sich zur Verfügung hatte. Das heißt, es gab eine eigene Sicherheitskontrolle für den American Airlines Bereich, nach dem man auch nur zu der Handvoll American Airlines Gates kam. Beim Betreten des Gates wurden außerdem schon die Tickets kontrolliert, nicht erst beim Betreten des Flugzeuges (da wurden die Tickets dann aber auch nochmal kontrolliert). Wenn man darüber nachdenkt, ergibt es schon Sinn, dass es einen separaten Teil gibt für die Flüge in die USA – dann haben sie die Chance, besser zu kontrollieren und darauf zu vertrauen, dass die Flüge zu den Vereinigten Staaten ihre (teilweise absurd) hohen Sicherheitsstandards erfüllen, gerade bei einem so großen Flughafen wie in Frankfurt.

Dann kam der erste Schock der Reise: Wir waren jetzt in diesem abgetrennten American Airlines Teil des Flughafens hinter der Sicherheitskontrolle und ich hatte noch keinen Kaffee! Oh weh! Verzweifelt habe ich das Gate wieder verlassen. Dabei musste ich mein Flugticket an der Kontrolle abgeben. Mit dem Reisepass habe ich das Ticket dann wiederbekommen beim Zurückkehren zum Gate. Frag mich nicht, ist bestimmt sicherer so.

Mit müdem Blick streifte ich die kargen Böden und Wände des Flughafens ab, um irgendeinen Hinweis auf einen Duty Free Shop oder Automaten zu finden. Und tatsächlich, ich war gerettet! Ein einziger Shop war in dem Bereich, der sogar mit diesem Umstand beworben wurde, so in der Art von „Your last chance to go shopping before the gates“ (oder so). Zufrieden stiefelte ich zurück – das Flugzeug konnte kommen!

Wir flogen mit einer Boeing 777-200. Laut Wikipedia ist es das größte zweistrahlige Flugzeug (also mit zwei Strahlturbinen) der Welt und aufgrund seiner hohen Reichweite und Effizienz beliebt für Interkontinentalflüge. Außerdem ist es das erste Flugzeug von Boeing, das mit fly-by-wire Technik fliegt, bei dem das Flugzeug komplett mit Elektronik gesteuert wird, anstatt dass z.B. Stahlseile am Steuerhorn eine Einstellung der Steuerflächen ermöglichen. Also eein Flugzeug mit Geschichte!

Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Boeing_777-200_America_Airlines.jpg (und ja, unser Flugzeug hatte auch eine amerikanische Flagge am Heck)

Beim Betreten des Flugzeugs haben wir zum ersten mal die typischen Business Class Sitze gesehen, die wir sonst nur aus Filmen kannten.

Quelle: https://viewfromthewing.com/my-strange-complimentary-upgrade-to-international-first-class-seating/

Wir selbst waren viel weiter hinten in der Mitte angesiedelt. Da gab es pro Reihe 10 Plätze mit 2 Gängen zwischendrin. Selbst ich hatte genügend Beinfreiheit, sodass es sogar ziemlich gemütlich war!

Quelle: https://www.united.com/en/us/fly/company/aircraft/boeing-777-200.html

Außerdem sind uns direkt die in die Sitze eingebauten Entertainment-Systeme aufgefallen (die wir so sonst auch nur aus Filmen kannten). Und was wir so nicht erwartet hatten: Die Auswahl an Filmen war tatsächlich gut! Wir haben während des Flugs unter anderem Avatar (Luftbändiger, kein blaues Alien), Vaiana 2 und The Big Short sehen können, das war die erste freudige Überraschung.

Quelle: https://upgradedpoints.com/travel/airlines/american-airlines-777-200-economy-class-review/

Die zweite positive Überraschung kam, als wir die Ziel-Flughöhe erreicht hatten, da wurden nämlich die Mahlzeiten ausgeteilt. Die waren im Preis inklusive und wir hatten vorher schon über die American Airlines Webseite angeben können, dass wir gern eine vegetarische Speise hätten. Das wurde auch beachtet und tatsächlich haben wir so unser Essen sogar ein Stück früher bekommen, hihi. Was daran überraschend war: Es war lecker, abwechslungsreich und man wurde davon mehr als satt – fast schon wie ein kleines Buffet mitten im Flugzeug! Wir sind davon ausgegangen, mit einer lieblos zugerichteten und eher kleinen Portion abgetan zu werden.

Zudem gab es auch noch kostenlose Getränke, zwischendurch ein leckeres Eis und am Ende, als man kurz davor war, wieder ein kleines Hüngerchen zu bekommen, kam noch ein Snack – das war so ähnlich wie ein Wrap, nur frittiert und auch wirklich lecker.

Ansonsten war der Rest des Flugs angenehm. Freundliches Personal, keine nervigen Fluggäste und ein gutes Entertainment haben dazu beigetragen, dass sich der 10 Stunden Flug gar nicht so extrem lang anfühlte. Ohne Verspätung sind wir gelandet.

Quelle: https://www.flightaware.com/live/flight/AAL705
Quelle: https://www.google.de/maps

Flughafen Charlotte

An diesem Punkt waren wir ziemlich nervös, weil uns der potenziell unangenehmste Teil der Reise bevorstand: Die Customs and Border Protection – der amerikanische Zoll und Grenzschutz. 9 Monate Auslandsaufenthalt sind ein anderes Paar Schuhe als 2 Wochen USA Urlaub mit ESTA. Anna hatte ihre Bestätigung, an der Universität zu sein, aber ich war nur Begleitperson.

In unserer Vorstellung konnte man mit etwas Pech schnell mal an eine Grenzschutzbeamt*in stoßen, die einen schlechten Tag hat und jemanden dann doch mal näher interviewen möchte. Während stereotypische Fragen wie „Are you a terrorist?“ nüchtern betrachtet dämlich sind und gern mal belächelt werden (zur Klarstellung: bis auf das Visum-Formular hat uns bisher noch niemand solche Fragen gestellt), hat uns ein antizipiertes „Möchten Sie wieder nach Deutschland zurückkehren?“ doch zum Grübeln gebracht. Die Antwort war und ist weiterhin ein 100%iges: Ja! Aber wie beweist man das? Wir waren vorbereitet, mit allen möglichen Dokumenten und Begründungen, was man denn noch alles in Deutschland zu erledigen habe, aber am Ende ging es darum, einen fremden Menschen von seinen eigenen Absichten zu überzeugen. Und dieser Mensch konnte auch gar nicht so viel Lust haben, einem zu glauben. Dazu noch die Stresssituation und die trotz guten Englischkenntnissen existierende Sprachbarriere, da konnte man sich schnell mal ungünstig ausdrücken.

Der Grenzschutz hatte sich in den letzten Monaten rasant verschärft, diesen Eindruck haben die Medien bei uns hinterlassen. Und zwischen administrativen Fehlern, arbiträren Überprüfungen von Social Media (nach welchen Maßstäben passiert das bitte? Wer weiß, was ich mal vor ein paar Jahren geliket habe…) und menschlichen Fehlurteilen bleibt eines verloren: Das Vertrauen in einen fairen amerikanischen Grenzschutz. Nur ist für einen am Flughafen kein Raum für irgendwelche Diskussionen da, auch wenn sich andere falsch verhalten. Du machst, was dir die Beamt*innen sagen. Du bist ihnen komplett ausgesetzt, während sie die Autorität über dein Verbleiben haben. Und während es für die Beamt*innen nur ein stinknormaler Arbeitstag ist, hängt der größte Teil deiner geplanten Zukunft davon ab, ob da an der Grenze reingelassen wirst oder nicht.

Zurück zum Geschehenen: Einmal gelandet, kam die Durchsage, dass wir noch für eine weitere halbe Stunde im Flieger verweilen mussten, da der Grenzschutz gerade personell nicht besetzt war. In einem kurzen Lehrvideo auf unseren Entertainmentsystemen, das für alle abgespielt wurde, wurden schon einmal die Grundlagen erklärt: Die Kontrollen sind das erste, was nach Betreten des Terminals passiert. Für die gesamte Zeit dürfen keine Handys verwendet werden. Erst geht man durch den Grenzschutzbereich, danach holt man sein Aufgabegepäck ab und geht dann durch den Zollbereich. Erst danach ist man „richtig“ in den USA.

Als wir das Terminal betreten haben, hat es uns optisch an alte DDR-Bauten erinnert. Der Eingangsbereich wirkte trist und etwas heruntergekommen. Leider konnten wir ohne Handys auch keine Fotos davon machen. Der eigentliche Kontrollbereich war ein weitläufiger Raum mit vielen Absperrbändern (wie bei der normalen Sicherheitskontrolle beim Flughafen), damit die Leute Schlangen bildeten. Da wir etwas verwirrt waren, welche der Schlangen nun die richtige für uns war, hat uns ein Mitarbeiter freundlich geholfen, den Anschluss zu finden.

Zu der Zeit war der Raum mittelmäßig gefüllt. Trotzdem haben wir ca. 30 – 40 Minuten damit verbringen dürfen, unauffällig zu sein und unsere Nervosität halbwegs in den Griff zu kriegen, bis wir endlich dran kamen. Zum Glück durften wir gemeinsam zum Schalter gehen, wo uns ein unfreundlicher Beamter die Reisepässe abgenommen und Fotos von uns gemacht hat. Anschließend fragte er lediglich Anna: „So you’re a student?“ – was sie kurz bestätigt hat. Und das war’s. Mir hat er keine Frage gestellt. Wir konnten einfach weitergehen. Dieser Moment fühlt sich immer noch so surreal an – die ganzen antizipierten Fragen und am Ende hat er im Grunde nichts gefragt. Natürlich wollten wir unsere Freude nicht so offensichtlich zeigen, wir fühlten uns immer noch beobachtet. Außerdem waren wir uns an der Stelle noch nicht ganz sicher, ob das nun wirklich schon der Grenzschutz war oder nur eine Vorabüberprüfung.

Spätestens als wir unser Gepäck abgeholt und einfach nur „Exit“ gelesen haben, haben wir nachfragt, wo denn nun der Grenzschutz war. Nun wissen wir die Antwort. 🙂

Erleichtert sind wir weitergelaufen mit unseren Koffern, bis auf einem Schild „Second security check + connecting flights“ (Zweite Sicherheitskontrolle und Anschlussflüge) stand. Ein paar Meter weiter waren ein paar Mitarbeiter, die uns gesagt haben, dass wir ihnen unser Gepäck geben sollen. Sie standen an einem Rollband, das von uns nur durch etwas Absperrband getrennt war. Das Ganze wirkte ziemlich dubios, aber wir machten es den anderen nach und übergaben unsere Koffer. Erst nach Nachfragen erklärte man uns, dass wir einfach weiterlaufen und eine Etage hoch sollten – schließlich wollten wir ja unser Gepäck wiederhaben, wenn es noch einmal geprüft wurde. Dort war allerdings nur der Check-In für weitere Flüge. Weiterhin verwirrt haben wir wieder jemanden gefragt – die Frau erklärte uns dann, dass das Gepäck wohl schon für den Anschlussflug abgegeben wurde und es keine weiteren Kontrollen gab. Das ist auch total logisch, nur waren wir in dem Moment so sehr auf irgendwelche Kontrollen fokussiert, dass wir das nicht direkt verstanden hatten! Glücklicherweise hatten wir alle wichtigen Sachen für die 9 Stunden Aufenthalt im Handgepäck, welches noch bei uns war.

Nun setzte die komplette Erleichterung ein! Wir hatten es geschafft! Das Schwierigste war hinter uns! Jetzt mussten wir nur noch eine Weile im Hotel verbringen und den Anschlussflug nehmen. -> Teil 2

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